Mit Baustellenversuchen die Tragfähigkeit des Dübels bestimmen

Die Tragfähigkeit von Befestigungen hängt massgeblich von den Eigenschaften der Untergründe ab. Weil diese bei Bauprojekten nicht immer bekannt sind, geben Baustellenversuche Aufschluss darüber, ob ein Dübel für den jeweiligen Untergrund geeignet ist. Mit einem mobilen Auszugsgerät wird auf der Baustelle die charakteristische Tragfähigkeit des Kunststoffdübels ermittelt.

In den europäischen Märkten vertrauen Hersteller und Anwender auf Bauprodukte, die mit einer ETA (Europäisch Technische Bewertung) zugelassen sind. Bei einem Dübel gibt die ETA Auskunft darüber, wie viel Zugkraft der Dübel in spezifizierten Untergründen aufnehmen kann. Diese Kräfte spiegeln sich in den charakteristischen Tragfähigkeiten wider und beruhen auf Labortests, die von zertifizierten Prüflabors durchgeführt werden. Aufgrund der enormen Vielfalt von Untergründen und den stetigen Neuentwicklungen, können in einer Zulassung jedoch nicht alle Untergrundarten berücksichtigt werden.

Vor allem beim Mauerwerk lässt die hohe Vielzahl eine pauschale Kategorisierung nicht zu. Weil sich die Steine nach Struktur (Vollsteine, Lochsteine) und Material (Ziegel, Kalksandstein, Leichtbeton, Porenbeton) unterscheiden, fallen die Rohdichte und damit die Druckfestigkeit der Steine unterschiedlich aus. Die Druckfestigkeit beeinflusst die Haltekräfte des Dübels im Untergrund entscheidend.

Die charakteristischen Tragfähigkeiten, die in diesen ETAs für die Verwendung der Kunststoffdübel in Hohl- oder Lochsteinen angegeben sind, gelten nur für die Steine und Blöcke, welche hinsichtlich Verankerungsgrund, Abmessungen der Steine, Druckfestigkeit und Anordnung der Löcher denen entsprechen, die in den Versuchen für die ETa verwendet worden sind.

Quelle: ETAG 020 – Anhang B

Wenn bei einem Baustellenprojekt Dübel in einem Untergrund befestigt werden sollen, der nicht bekannt oder nicht in der ETA abgebildet ist, müssen Baustellenversuche bzw. sogenannte Dübelauszugsversuche durchgeführt werden. Weitere Gründe für diese Versuche kann eine gewünschte Abänderung der Bohrmethode oder der Verankerungstiefe sein. Baustellenversuche sind demnach immer dann abzuhalten, wenn im Praxisfall eine Abweichung von der Zulassung stattfindet. Sie geben die Sicherheit darüber, ob der Dübel im vorliegenden Untergrund die charakteristische Tragfähigkeit erreicht.

Baustellenversuche mit Prüfbericht festhalten

Die Tragfähigkeit des Dübels ist durch Ausziehversuche am Bauwerk zu ermitteln. Mindestens 15 Versuchswerte sind in einen Prüfbericht einzutragen. Der Bericht soll alle Angaben enthalten, die zur Beurteilung der Tragfähigkeit der geprüften Kunststoffdübel erforderlich sind.

Die Versuche sind wie in ETAG 020 Annex C beschrieben durchzuführen. Der Dübel ist richtig verankert, wenn nach dem vollen Eindrehen der Schraube weder ein Drehen der Dübelhülse auftritt, noch ein leichtes Weiterdrehen der Schraube möglich ist. Tipp: Bei kritischem Untergrund hilft ein Akkuschrauber mit Rutschkupplung, um das Eindrehmoment der Dübelschraube zu begrenzen (Fachartikel: Akkuschrauber optimal nutzen).

Nachdem der Dübel nach den Vorschriften des Herstellers verankert ist, wird mit einem Auszugsgerät eine kontrollierte, kontinuierliche Laststeigerung auf den Dübel ausgeübt. Die zentrische Zuglast sollte stetig gesteigert werden, so dass die Bruchlast nach ca. einer Minute erreicht wird. Die Last beim Erreichen der Bruchlast wird im Prüfbericht vermerkt.

Nach den 15 Auszugsversuchen folgt die Auswertung für die Lastklasse. Bei der Auswertung ist wie folgendermassen vorzugehen:

  1. Die fünf kleinsten Werte aus den 15 Baustellenversuchen auswählen
  2. Den Mittelwert aus diesen fünf Werten ermitteln. Der Wert wird mit N1 beschrieben
  3. N1 mit 0,5 multiplizieren, um die charakteristische Tragfähigkeit des Dübels (NRk1) zu erhalten. Der Wert ist vergleichbar mit den Zulassungswerten FRk,ETA
  4. NRk1 durch den Sicherheitsbeiwert ƴM dividieren, um die Dübellastklasse zu erhalten. ƴM ist abhängig vom Untergrund (zB Mauerwerk: ƴM = 2,5).

Die Dübellastklasse ist mit der Bemessungslast gleichzusetzen, wenn sie niedriger als die Systemlastklasse ist. Ist die Dübellastklasse hingegen höher als die Systemlastklasse, wird die Systemlastklasse als Bemessungslast herangezogen.

Welche Möglichkeiten gibt es, um die Haltekräfte des Dübels und damit die Dübellastklasse zu verbessern?

  • Bohrmethode ändern: Drehbohren anstatt Hammerbohren
  • Verankerungstiefe um mindestens 2 cm vergrössern

Die für die Versuche gewählte Bohrmethode und/oder Verankerungstiefe sind für die spätere Bauausführung zu übernehmen. Sollten diese Umstellungen nicht zu einer Steigerung der Lastklasse beitragen, bleibt optional das Heranziehen eines anderen Dübels.

Die Bemessungslast dient fortan als Grundlage für die Dübelmengenberechnung. Grob gesprochen ergibt sich die benötigte Anzahl Dübel pro m2 aus der Relation von Bemessungslast und Windlast. Um die konkrete Anzahl zu ermitteln, sind jedoch zusätzliche Parameter zu berücksichtigen, die sich teilweise gegenseitig beeinflussen. Deshalb sollte die Dübelmengenberechnung projektbezogen immer durch den Systemanbieter oder ein entsprechendes Planungsbüro ermittelt werden (Fachartikel: Dübel pro m2: Gespart am falschen Ort).

Sie brauchen Unterstützung bei der Planung oder Durchführung von Dübelauszugsversuchen? Kontaktieren Sie uns für Informationen oder einen Termin.

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