Warum dübeln selbst bei geklebten Dämmfassaden sinnvoll ist

Viele Einflussfaktoren entscheiden darüber, wie ein Wärmedämm-Verbundsystem an eine Fassade anzubringen ist. Im Neubau wird oft auf ein rein geklebtes System zurückgegriffen, während in Deutschland bei Renovierungen gleich drei weitere Systeme zur Befestigung eingesetzt werden können. Der Dübel ist ein kleiner Teil dieser Systeme – allerdings mit großer Bedeutung.

Welche Befestigungslösungen ein Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) verlangt, hängt im hohen Maße von den Systemkomponenten und der Beschaffenheit der Fassadenoberfläche ab. Zum einen machen Dämmplattentyp und die Dicke der Platte einen großen Teil des Systemgewichts aus. Mineralwolle beispielsweise ist deutlich schwerer als Expandiertes Polystyrol (EPS), was sich gerade bei dicken Dämmplatten deutlich zeigt. Neben dem Gewicht sind die Beschichtung der Wandoberfläche, die Tragfähigkeit des Untergrundes und die Unebenheit der Wandoberfläche dessen maßgebend.

Für die Befestigung eines bauaufsichtlich zugelassenen WDVS sind gleich mehrere Verfahren zugelassen:

  1. Rein geklebte Systeme bis max. 1 cm/m Kleberschicht
  2. Geklebte Systeme mit zusätzlicher mechanischer Befestigung (Verdübelung) bis max. 2 cm/m Kleberschicht
  3. Mechanisches Schienensystem mit Kleberpatzen bis max. 3 cm/m Unebenheit der Wandoberfläche
  4. Rein mechanische Befestigung ohne Kleber mit Stellfuchs Befestigungssystem bis max. 7 cm/m Unebenheit der Wandoberfläche

Lesetipp: Die Vorteile der mechanischen WDVS Befestigung

Äußere Einflüsse spielen eine große Rolle

Die Eigenlast eines WDV-Systems variiert je nach Art und Dicke der Dämmplatte zwischen 10 und 50 kg pro m2. Winddruck und Windsog sind stark regionsabhängig. Die regionalen Windlasten sind länderspezifisch in verschiedene Windzonen eingeteilt. Der maximal zulässige Windsog darf bei WDV-Systemen nicht höher als we = 2,2 kN/m2 sein. Darüber hinaus belasten hygrothermische Einwirkungen, also saisonale Feuchte- und Temperaturschwankungen, das WDV-System dauerhaft.

Nur wenn diesen Beanspruchungen Sorge getragen wird, kann ein WDVS über den Nutzungszeitraum von bis zu 40 Jahren dauerhaft statische und bauphysikalische Belastungen aufnehmen. Die Standsicherheit eines Wärmedämm-Verbundsystems muss dauerhaft gewährleistet sein. Ist sie das nicht, drohen Bauschäden durch sich abzeichnende – im schlimmsten Fall durch sich lösende – Dämmplatten

Anforderungen zur Verklebung in Neubau und Altbau

Bei staubigen, verunreinigten oder saugenden Untergründen ist bei allen Klebesystemen eine Vorbehandlung Pflicht. Abblätternde Anstriche und ein feuchter Untergrund sind für eine Verklebung ebenfalls nicht geeignet. Lose Elemente sind immer zu entfernen und Hohlstellen des Altputzes sind abzuschlagen. Die Wischprobe zur Prüfung von Staubfreiheit, schädlichen Ausblühungen oder kreidenden Altbeschichtungen zählt neben der Kratz- und Ritzprobe, der Klopfprobe und der Benetzungsprobe zu den elementaren Prüfungen der Wandoberfläche.

Über eine Haftzugsprüfung wird die Abreißfestigkeit des Klebers zum Untergrund geprüft. Sie gibt Aufschluss darüber, ob eine Wandoberfläche tragfähig bzw. klebegeeignet ist. Nur wenn der Wert über 0,08 N/mm2 (80 kPa) liegt, kann auf eine zusätzliche Verdübelung verzichtet werden. Diese Prüfungen sind allerdings mit Zeit- und Kostenaufwand verbunden, weshalb sie aus ökonomischer Sicht nur stichprobenartig durchgeführt werden können. Um die Beschaffenheit der Wandoberfläche ausreichend beurteilen zu können, sollte zumindest jede Fassadenansicht auf mehreren Stockwerken geprüft werden.

Aufbau eines Wärmedämm-Verbundsystems

Wann WDVS-Dübel bei geklebten Systemen zum Einsatz kommen

Der WDVS-Dübel kann bei geklebten Systemen symbolisch als Notfallschirm gesehen werden, wobei der Kleber als Fallschirm für das Tragen des WDV-Systems verantwortlich ist. Verhalten sich System und Bausubstanz wie berechnet, ist soweit alles in Ordnung. Treten mit angehender Zeitdauer jedoch radikale Veränderungen im Untergrund auf, muss der Notfallschirm gezogen werden. Wenn der Kleber versagt, übernimmt der Dübel die Aufgabe des Klebers. Er presst in Kombination mit dem Eigengewicht des WDV-Systems den Dämmstoff gegen die raue Wandoberfläche und verhindert damit das Systemversagen.

Veränderungen entstehen unter anderem durch langfristige Veränderungen der Wandoberfläche und durch starke Windbelastung. Der klimatische Wandel lässt befürchten, dass zukünftig öfter mit extremen Sturmereignissen zu rechnen ist.

Anforderungen zur Verdübelung in Neubau und Altbau

In den DACH-Ländern wird der Neubau mit einem normgerechten Mauerwerk bei ebenen Untergründen nicht gedübelt, weil es sich hier um einen tragfähigen und damit klebegeeigneten Untergrund handelt. Das gilt aber nur für ebene Fassaden und Systeme mit EPS bis zu einem Systemgewicht von max. 30 kg/m2 und einem maximalen Kleberauftrag von 1 cm/m. Die Abreißfestigkeit zwischen Kleber und Untergrund erfüllt dann die erforderliche Mindestanforderung von 0,08 N/mm2 bzw. 80 kPa. Putzträgerplatten aus Mineralwolle hingegen müssen aufgrund des hohen Gewichtes und der geringen Querzugfestigkeit (3,5 bis 10 kPa) auch im Neubau gedübelt werden.

Beim Altbau gibt es gleich mehrere Faktoren, die eine Verdübelung erfordern, da es sich in der Regel um nicht genormte Untergründe oder um Untergründe mit Altputz handelt. Die Abreißfestigkeit des Klebers vom Untergrund ist in der Praxis meist kleiner als 0,08 N/mm2 bzw. 80 kPa oder kann aus ökonomischen Gründen nicht flächendeckend nachgewiesen werden. Eine zusätzliche Verdübelung ist bei der Renovierung daher grundsätzlich zu empfehlen.

Die Dübelanzahl pro m2 ergibt sich dabei aus einer professionellen Dübelmengenberechnung. Diese basiert auf der zulässigen Lastklasse der Dübel, der Dübelauszugwerte vor Ort auf der Baustelle und einer Windlastberechnung. (Warum es Sinn macht, die Dübelmengen berechnen zu lassen) 

Fazit: Der WDVS-Dübel ist ein wichtiger Systembestandteil der geklebten und gedübelten Wärmedämm-Verbundsysteme, um die Funktion des Gesamtsystems dauerhaft zu gewährleisten. Eine fachgerechte Verdübelung sorgt dafür, dass das Dämmsystem einem Ausfall des Klebers standhält und die Putzfassade Stürme unbeschadet übersteht. Aufgrund der klimatischen Veränderungen werden Dübel in Zukunft mehr an Bedeutung gewinnen.

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