Während der Dübel bei den geklebt-gedübelten Wärmedämm-Verbundsystemen sinnbildlich als Notanker gesehen werden kann, übernimmt der WDVS-Dübel bei der rein mechanischen Befestigung die Funktion des Bauklebers und damit die volle Last des Systems. Die mechanische Kraft sieht über die vorhandenen Eigenschaften von Untergrund und Wandoberfläche hinweg und vergrössert damit das Anwendungsfeld für Dämmsysteme.
Welche Befestigungslösungen ein Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS) verlangt, hängt in hohem Masse von den Systemkomponenten und der Beschaffenheit der Fassadenoberfläche ab. In der DACH-Region kommen neben der rein geklebten Befestigung geklebt-gedübelte Lösungen und rein mechanische Befestigungen zum Einsatz (Fachartikel: Warum Dübeln selbst bei geklebten Dämmfassaden sinnvoll ist). Bei der mechanischen Befestigung werden im Regelfall spezielle WDVS-Dübel herangezogen, weil diese technisch höhere Anforderungen erfüllen als konventionelle Dübel.
Dadurch, dass mechanische Befestigungen unabhängig vom Zustand der Altfassade eingesetzt werden können, ergeben sich zwei entscheidende Vorteile: Einerseits entfällt die Vorbereitung des Untergrunds, weil der Untergrund nicht klebegeeignet und die Fassade nicht fluchtgerecht für die Anbringung von Dämmstoffen sein muss. Andererseits ergibt sich dadurch der Vorteil, dass Dämmsysteme selbst bei schwierigen Bedingungen befestigt werden können und bei nicht alltäglichen Anwendungen zum Tragen kommen.
Altputz und Unebenheiten beeinflussen die Befestigung
Bei der Sanierung von Altbauten benötigt der Baukleber zwingend eine Fassade, die frei von Fremdbestandteilen und zudem trocken und staubfrei ist. Eine stichprobenartige Überprüfung des Untergrundes gibt Aufschluss über die Tragfähigkeit des Altputzes. Sie sollte über alle Fassadeflächen und die verschiedenen Stockwerke erfolgen. Die Wischprobe zur Prüfung von Staubfreiheit, schädlichen Ausblühungen oder kreidenden Altbeschichtungen zählt neben der Kratz- und Ritzprobe, der Klopfprobe und der Benetzungsprobe zu den elementaren Prüfungen der Wandoberfläche. Besteht keine Haftung mehr zwischen Untergrund und Altputz, ist der Altputz nicht tragfähig. Lose Elemente sind zu entfernen und Hohlstellen des Altputzes müssen abgeschlagen werden.
Anwendungsbeispiel | |
---|---|
Ausgleichsputz: 50 Tonnen Material für eine 1000 m2 Fassade | |
• 30 Tonnen Altputz (20 mm) abschlagen und entsorgen • 15 Tonnen Ausgleichsputz (10 mm) anbringen • Trocknung des Ausgleichsputzes: Theoretische Faustregel: 1 Tag/mm • 5 Tonnen Baukleber auftragen |
Neben der Tragfähigkeit des Untergrundes spielt die Unebenheit der Fassade eine wichtige Rolle. Ungleichmässigkeiten treten nicht nur beim Altbau auf, sondern sind beim Neubau das Ergebnis von Baufehlern. Übersteigt die Unebenheit zwei Zentimeter pro Meter, reicht die Kombination aus Kleber und Dübel für die Befestigung der Dämmplatten nicht mehr aus. Kleberschichtstärken von über 2 cm pro Meter führen häufig zu Haftungsverlust zwischen Untergrund und Klebemörtel. Eine mögliche Massnahme ist der Ausgleichsputz, um die nicht erlaubte Unebenheit zu egalisieren. Umgangen werden kann diese Massnahme nur, wenn das WDV-System mechanisch befestigt wird.
Unebenheiten ≤ 1 cm: Rein geklebte Befestigung zulässig
Unebenheiten ≤ 2 cm: Das geklebte System ist zusätzlich zu verdübeln
Unebenheiten > 2 cm: Mechanische Befestigung oder Ausgleichsputz
Unebenheiten > 3 cm: Mechanische Befestigung (Stellfuchs Befestigungssystem)
Mechanische Befestigungen erweitern das Einsatzgebiet
Aus dem Vorteil, dass mechanische Befestigungen Unebenheiten wettmachen und über nichthaftende Untergründe hinwegsehen, ergeben sich viele Anwendungsmöglichkeiten für die Dämmfassade:
Denkmalgeschützte Gebäude
Das Denkmalschutzamt genehmigt nur eine Sanierung von denkmalgeschützten Gebäuden, wenn Strukturen und historische Wandmalereien und damit der unverwechselbare Charakter für die Nachwelt erhalten bleibt. Da mechanische Befestigungen rückbaubar sind, erfüllen sie diese Anforderung.
Mischuntergründe (zB. Fachwerksbau)
Wenn sich Holz mit Lehm, Ziegeln oder anderen Materialien abwechselt, verkompliziert sich die Befestigung von Dämmplatten an der Fassade deutlich. Die unterschiedlichen Oberflächen bedeuten eine inhomogene Haftzugfestigkeit für den Baukleber, weshalb Mischuntergründe ein ideales Anwendungsfeld für mechanische Befestigungen sind.
Plattenbauten
In der Nachkriegszeit entstanden viele industriell gefertigte Plattenbauten. Die Bewegungen der Platten zueinander führten über die Jahrzehnte zu Unebenheiten zwischen den Platten. Die gekieselte Oberfläche erschwert die thermische Sanierung zusätzlich.
Aufdopplung
Bei einer Aufdopplung nutzt der Bauherr vorhandene Ressourcen der Altdämmung. Das Altsystem muss nicht entfernt werden und bietet den thermischen Schutz, selbst wenn das System nicht mehr tragfähig ist. Wie bei allen mechanischen Befestigungen ist das Aufbringen eines Ausgleichsputzes hinfällig (Fachartikel: Warum Rückbauen, wenn es günstiger und schonender geht?).
Neubauten
Bei mechanischen Befestigungen ist der Abstand zwischen Dämmstoff und Untergrund wählbar. Die Versicherungsgesellschaft NHBC schreibt im Vereinigten Königreich bei öffentlichen Gebäuden eine Drainage zwischen Dämmplatte und Untergrund vor, damit das Dämmsystem bei einem Wassereintritt keinen Schaden nimmt.
Holz
Der Holzbau liegt nicht zuletzt wegen der nachhaltigen Komponente im Trend. Mit steigendem Interesse nimmt die Nachfrage nach mechanischen Befestigungen zu.
Umweltfreundliches Bauen wird wichtiger
Mechanische Befestigungen halten Dämmplatten durch deren Verankerung im Untergrund fest. Die Lösung dieser Verbindung macht es möglich, ein Wärmedämm-Verbundsystem Jahre nach der Anbringung wieder zu demontieren. Die Option ein System rückzubauen ist der erste Schritt für ein sortenreines Recyclen der Baumaterialien und greift die Forderung nach ökologisch bewusstem Bauen auf. Erste Systeme, die den Rückbau mit sortenreiner Trennung anvisieren, haben die beiden Systemlieferanten Sto (StoSystain) und Weber (weber.therm circle) der Fachwelt bereits präsentiert.